Es gibt einige Teile an Bord, auf welche man sich zu 100% verlassen können muss. Eines davon ist die Ankerwinde. Das ist eine Winde, welche den Anker (resp. die Kette) rauf und runter lässt. Und da wir ja eigentlich zu 99% unserer Nächte vor Anker liegen, ist dieses Ding für uns relativ wichtig.

Als wir an einem unserer Lieblingsstrände vor Formentera beim Ankermanöver waren, trauten wir unseren Augen und Ohren nicht, als beim Heraufholen der Kette, diese unkontrolliert ins nasse Türkis rauschte. Der Taster (Schalter) im Cockpit war schon lange in der neutralen Position, was die Winde blockieren und somit ein weiteres Auslassen der Kette hätte verhindern sollen. Kleiner Schock – ich vorne, Tanja im Cockpit und die Kette rauscht und rauscht einfach raus. Gewollt waren ca. 12m im Wasser – mittlerweile sahen wir die 40m Markierung passieren. Da kommt Freude auf und es zeigt sich, ob der Deo hält, was er verspricht. Ich sägs Eu! Zum Glück war es dort nur ca. 3m tief – so entsteht nicht ein super-starker Zug nach unten wie wenn da 15m zwischen Wasseroberfläche und Grund wären. So konnte ich die Kette zum Glück mit der Hand stoppen und dann mit einem Bändsel (Stück Leine (das heisst auf dem Schiff eben Leine und nicht Schnur 🤓)) an der Klampe sichern. So war fürs Erste mal die Gefahr gebannt – zum Glück waren keine Schiffe um uns – sonst hätten wir massiv mehr Kette draussen gehabt wie die anderen und unser Schwoi-Kreis wäre um einiges grösser als deren (was bei Winddrehern zu Kollisionen führen kann – Ihr könnt das gerne auf Papier mit einem Zirkel ausprobieren mit verschiedenen Kreisen – sind die Unterschiede in der Grösse (=Kettenlänge) zu gross, treffen sich die Linien der Kreise (in unserem Fall wäre das dann ein Zusammenstoss). Nächster Schritt: Analyse der Ursache. Die Winde funktionierte noch – wir konnten rauf/runter betätigen, der Motor surrte – nur leider gab es keinen Zug auf die Kette. Somit machte ich mich auf den Weg in den Ankerkasten, um den Motor der Winde zu begutachten (bin ja voll der Spezialist auf dem Gebiet 🤷🏼‍♂️👨‍🔧 – nicht). Da bemerkte ich, dass sich offenbar ein Stift gelöst hat, welcher die Antriebswelle mit dem Motor verbindet – felt der, dreht der Motor, welcher dann aber die Welle nicht antreibt. Nach einem Blick in den Kettenberg sah ich den fehlenden Übeltäter dort liegen. Ok, Problem erkannt – erste Stufe des Reparatur-Prozesses gemacht. Nur; wie kriegen wir das Ding nun wieder zum laufen? Nach einigem hin und her konnte ich den Stift wieder dorthin platzieren, wo er hingehört – nur lief mir dann ein wenig Öl entgegen – an einer Stelle, wo es vermutlich nicht im Sinne des Erfinders war. Wie sich im Laufe des Googlens herausstellte, muss wohl der Antrieb des Motors gebrochen sein – dies führte dann dazu, dass dieser Stift sich verabschiedete (nach unten raus-rutschte). Die Winde lief wieder – der Motor war aber vermutlich nicht mehr lange zuverlässig zu gebrauchen. So machte ich, was ich in diesen Situationen immer tue – ich wähle mal wieder die Hotline von Franz. In Gedanken sehe ich ihn dann jeweils schon, wie er mit einem fiesen Lächeln das Telefon abnimmt und sich erkundigt, was denn nun wieder kaputt gegangen sei (gehört einfach zum Leben der Böötler dazu – und ja, hier wäre nun ein wenig Mitleid mit uns Ärmsten angebracht 😩). Nach Schilderung der Vorfällen war dann schnell bestätigt, was wir befürchteten. Somit konnten wir uns dran machen, nach Ersatz zu suchen. Wir hatten die Möglichkeit, einen neuen Motor/Getriebe zu beschaffen – oder aber gleiche eine neue Winde – die alte hatte ja doch schon 17 Jahre auf dem Buckel und war an diversen Stellen schon ein wenig abgewetzt. So entschieden wir uns für ein neues Modell, welches wir dann am Folgetag bei unserem Bootsausrüster erster Wahl in Deutschland Express bestellten.

Zum Glück hatten wir bei unseren lieben Freunden vom Project Social in Santa Eulalia einen guten Eindruck hinterlassen und sie waren einverstanden, dass wir das Paket zu ihnen in die Bar liefern lassen durften. Mit dem notdürftig geflickten Motor konnten wir die nächsten Ankermanöver einigermassen gut über die Bühne bringen (der Stift ist nur noch 2x rausgefallen und konnte aber zum Glück jeweils schnell wieder eingesetzt werden). So nahmen wir vier Tage nach dem Malheur unsere neue Winde im Project Social entgegen und schleppten sie zum Schiff (35kg).

Da wir es dann verhindern wollten, unnötig zu ankern, schauten wir uns nach geeigneten Bojen-Plätzen um – und da wir sowieso nach Mallorca wollten, bot sich Cabrera an. Also machten wir uns am Folgetag in der Früh auf gen Osten. Nach einem tollen Zwischenstopp ging es weiter nach Portopetro; einem schönen Natur-Hafen, in welchem Bojen angeboten werden. Wir reservierten eine Boje für zwei Nächte (haha, super optimistisch für die Reparatur) und kamen am Nachmittag an.

Am Folgemorgen machte ich mich dann an die Reparatur der Winde. Mann mann mann, das wird wieder ein langer Bericht – eigentlich hättet Ihr ja alles bis hier überspringen können – jetzt kommt der lustige Teil 🤣. Also: eigentlich dachte ich, in einem Tag ist das Ding schon eingebaut. HAHAHA! Nur schon das Demontieren des alten Motors hat 2h gedauert. Schlussendlich ging es dann mit diversen Schraubenziehern und Stechbeutel, das Ding von der Unterseite des Decks zu befreien. Dann Sichtung Problem Nummer 1: die Unterseite des Decks war alles andere als eben; was leider erforderlich ist für die Montage der neuen Winde. Zudem war auch die Stärke des Decks viel zu gering (im Vergleich von dem, was vom Hersteller vorgegeben wird). Somit hatte ich ein paar neue Tasks gefasst: Unterseite begradigen und danach noch ein Brett o.ä. einlaminieren (das geschieht mit Glasfasermatten und Epoxidharz), damit eben dann die Deckstärke entsprechend ist. Das ist ein ziemliches Gebastel, macht aber Spass – naja, zumindest einigermassen und wenn alles klappt. Zweites Problem: Die neue Winde hatte natürlich komplett andere Einbau-Masse – d.h. die alten Löcher müssen gefüllt und neue gebohrt werden. Glaubt mir – es ist nicht sooooo ein cooles Gefühl, ein 70mm Loch ins Deck bohren zu müssen!!! Nächstes Problem: leider kein 70mm Lochbohrer dabei – nur 65mm (und selbstverständlich diverse andere Grössen). Da wir die Sachen ja korrekt und schön machen wollen, suchen wir am nächsten Morgen also einen Baumarkt in der Nähe in der Cala d‘Or auf – und siehe da, sie haben den 70mm Bohrer! YES! es kann losgehen. Aus einem IKEA Rüstbrett wird die Unterseite für die Winde mittels Stichsäge ausgesägt – das bildet unten dann die Basis für die Decksverstärkung. Dann mit Epoxy-Filler die die Unterseite zuerst geradigen – gelingt einigermassen gut (hätte auch besser werden können). Dann das Brett mit Glasfasermatten und Epoxidharz laminieren – auch hier gibt es noch ziemliches Potential für mich; hält aber zum Glück. Danach die Löcher im Deck ebenfalls mit Epoxy-Filler füllen. Zwischen den Schritten müssen die Werkstoffe dann immer schön trocknen – was unser Vorhaben ziemlich in die Länge zieht. Dann kann mal auf Deck die Bohr-Schablone platziert werden und die neuen Löcher vorbohren/markieren. Hierbei merkt man dann, dass der freundliche Bauhaus-Mitarbeiter uns einen falschen Aufsatz für den 70mm Bohrer verkauft hat – und das Ding von Hand durchs Deck zu drehen geht leider nur sehr schlecht 🤬 (man hörte mich an diesen Tagen doch ab und zu einen Kraftausdruck von mir geben). So wurde am nächsten Tag nochmals ein Besuch im Bauhaus eingeplant. Ihr ahnt es schon – mittlerweile hatten wir bereits nochmals um zwei Nächte an der Boje verlängert – natürlich jeden Tag einzeln; wir sind und bleiben Optimisten! Es wurde dann noch eine dritte… Sie hatten das korrekte Teil leider nicht, so dass wir alles wieder zurück gaben – andere Lösung muss her. Langsam verliere ich die Nerven und die Qualitätsansprüche an meine Arbeit sinken täglich. Somit halt doch das 65mm Loch bohren und den Rest mit dem Dremel ausfräsen/wegschleifen. Geht schon – wird einfach nicht so schön (aber; wer sieht denn das Loch schon – das ist unter der neuen Winde versteckt). So klappt dann am nächsten Morgen fast alles – die Löcher stimmen mit der Schablone überein, die Winde kann eingesetzt werden und liegt satt auf dem Deck auf und unten sieht auch alles gut aus. Nun muss nur der (ziemlich schwere) Motor von unten angeschraubt werden. Also halte ich den Motor hoch und Tanja dreht die Muttern rein – nächster Dämpfer: Deck eigentlich nicht dick genug – resp. die Bolzen zu lang, so dass sie am Motorgehäuse anstehen und der Motor nicht ganz hoch gedrückt werden kann -> Dremel sei Dank, fräse ich halt einfach ca. 1cm der Bolzen ab. Danach klappt alles – also nicht ohne ein wenig Schweissvergiessen. Es war im Ankerkasten vermutlich gut über 40°, so kam ich insb. bei der Montage des Motors mal wieder komplett durchnässt an die Oberfläche – dieses Mal aber mit einem Lächeln im Gesicht, da der Job nun endlich abgeschlossen war. So konnten wir am Morgen danach dann die Kette wieder einfädeln und am Anker befestigen.

Bei dieser Arbeit war es wieder wie mit allem: ich habe super viel gelernt und kenne nun ein weiteres Teil unserer Nai‘a in- und auswendig. So wächst das Verständnis für das komplexe „System Schiff“ Tag für Tag. Nun gilt es, richtig Vertrauen in die neue Winde zu geniessen – die ersten Ankermanöver hat sie mit Bravur gemeistert – ein flaues Gefühl in der Magengegend bleibt aber wohl noch eine Weile bestehen, nach all den Erlebnissen vorher (aber ja, natürlich vollkommen unbegründet).

Sorry für den langen Bericht – wer bis hier nicht eingeschlafen ist, weggeklickt hat, in Gedanken total wo anders ist; Danke für‘s Lesen und hoffentlich fürs Nachempfinden meines Leidenswegs. Auch ein Dankeschön an Tanja, welche mir immer zur Seite stand und mich aufmunterte, wenn meine Mundwinkel mal Richtung Meer anstatt gen Himmel zeigten 😘.

Habe fertig.